Aufreger Pflege und Gesundheit

Etikettenschwindel

CC BY-NC-SA 2.0 Paul-Jakob Meussling

Ich bekam gestern Abend eine zurecht empörte Nachricht der geschätzten Pflegeaktivistin Diana Leisering, die ebenfalls in Leverkusen wohnt. Da bietet ernsthaft ein popeliges Bildungszentrum eine halbjährige Ausbildung zur „Fachkraft Alten-/Krankenpflege“ an. Inhalte: ein paar Pflegebasics, die Betreuungsassisstenz nach §53c SGB XI (ehemals §87b) und 2 Module zur Behandlungspflege (siehe § 3 Abs. 4
WTG-DVO). Und das nennen die Fachkraft! Hat jemand einen Kotzeimer?

Das Zertifikat zeigt, wie mager diese „Ausbildung“ ist:

Zertifikat der "Fachkraft"-Ausbildung
Zertifikat der „Fachkraft“-Ausbildung

Das ist nicht mehr als eine Betreuungsassistenz mit Spritzenschein. Nett und sicherlich nützlich, aber eben keineswegs eine als Pflegefachkraft anzusehende Qualifikation. Gerade einmal 830 Stunden Theorie, ein halbes Jahr ohne Praxis. Zum Vergleich: eine examinierte Pflegefachkraft hat mindestens 2.100 Stunden Theorie und 2.500 Stunden Praxis absolvieren müssen. Man könnte den Anbieter bei seiner Wortwahl auch vorsätzliche Täuschung vorwerfen. Immerhin versteckt er im Kleingedruckten, dass der Bedarf an Pflegehilfskräften hoch ist. Dass es sich bei der „Ausbildung“ eben nur um eine solche niederschwellige Qualifikation zu einer nicht näher bezeichneten Pflegehilfskraft handelt (nicht mal für den geschützten Beruf Pflegehelfer!), steht dort mit keinem Wort.

Ich habe gleich mal die Heimaufsicht des Rhein-Sieg-Kreises angeschrieben und zudem die Kreistagspiratin Anja Mörsch darauf angesetzt.
Screenshot der Mail an die Heimaufsicht

Gefragt habe ich folgendes:

„Sieht die Heimaufsicht Möglichkeiten, gegen diese offensichtlich nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 5 WTG NRW entsprechende und damit möglicherweise missbräuchliche Verwendung des Begriffs der Fachkraft vorzugehen?“

Auf Facebook wurde befürchtet, dass dies die Front zwischen Fachkräften und Hilfskräften unnötig aufreißen würde. Sehe ich anders: Darunter, dass die Fachkraftquote durch solche „Fachkräfte“ unter Beschuss gerät, leiden am Ende beide Gruppen. Daher sollten auch beide Gruppen ein Interesse daran haben, gegen solche Angebote vorzugehen.

Wenn es dazu Neuigkeiten gibt, lasse ich es Euch wissen.

Update: Die Antwort der Heimaufsicht liegt vor:

„Sehr geehrter Herr Ding,

das von Ihnen erwähnte Qualifizierungsangebot ist mir auch bekannt. Leider vermisse ich auf der Internetseite einen deutlichen Hinweis, dass mit dieser mehrmonatigen Qualifizierungsmaßnahme nicht der Status Fachkraft im Sinne des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW erworben wird. Eine missbräuchliche Verwendung des Begriffs „Fachkraft“ ist meines Erachtens damit aber nicht verbunden. Möglichkeiten, um gegen missbräuchliche Verwendung von Begriffen in der Pflege vorzugehen, sieht das Wohn- und Teilhabegesetz NRW im Übrigen nicht vor.“

Der Nachweis einer fachlichen Eignung im Sinne von § 30 BBiG ist schon mal nicht erfüllt.§ 30 BBiG bezieht sich auf die Qualifikation der Ausbilder, nicht die Qualifikation, die die ausgebildeten Personen durch die Fortbildung erhalten. Dies ist hier also irrelevant.

Jetzt müsste ich nur wissen, wie man dem Anbieter entsprechend Druck machen kann.

Update: Die „Fachkräfte“ werden also tatsächlich in der Praxis für niederschwellige Betreuungsangebote eingesetzt, ausgerechnet am Standort meines Arbeitgebers. In der Werbung taucht wieder dieser hanebüchene Fachkraftbegriff auf.

Anzeige von Facebook
Anzeige zur Wiedereröffnung des Café Mozart

Und der Geschäftsführer des Bildungszentrums offenbart ein interessantes Geschäftsmodell.

Harrassing mail will be published
Harrassing mail will be published

Update: Der Verein „Pflege in Bewegung e.V.“ sieht das ganz ähnlich wie ich.